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Bericht zum 7. Abendsymposium des ISR

Am 27.04.2016 fand im Haus der Universität Düsseldorf das siebte Abendsymposium des undefinedInstituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht und der Düsseldorfer Vereinigung für Insolvenz- und Sanierungsrecht e.V. statt, zu dem wieder rund 80 Teilnehmer gekommen waren. Die Vortragsveranstaltung war thematisch dem Insolvenzplanverfahren gewidmet und bildete den Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe des ISR, die inhaltlich auf Spannungsverhältnisse zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht ausgerichtet ist. 

Erster Referent des Abends war Prof. Dr. Ulrich Noack (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), der in seinem Vortrag der Frage nachging, was „gesellschaftsrechtlich zulässige“ Regelungen im Insolvenzplan (§ 225a Abs. 3 InsO) sind.

Noack stellte einleitend den Beschluss des AG Charlottenburg vom 09.02.2015 – HRB 153203 B – (NZI 2015, 415 ff.) vor. Das Gericht hatte die Eintragung einer im bestätigten Insolvenzplan vorgesehenen Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien ablehnt, da es diese mangels einer entsprechender Regelung in der Satzung der AG nach § 237 Abs. 1 S. 2 AktG für gesellschaftsrechtlich unzulässig hielt. Der Beschluss gebe Anlass, sich näher mit der Frage zu beschäftigen, welche Maßnahmen im Rahmen eines Insolvenzplans als gesellschaftsrechtlich zulässig anzusehen seien und welche Prüfungskompetenz dem Registergericht hinsichtlich solcher Maßnahmen zustehe.

Unter Rückblick auf die jüngere Gesetzeshistorie erläuterte Noack, dass zunächst weder die Konkursordnung noch die InsO in ihrer vor dem ESUG geltenden Fassung Eingriffe in die Rechtsstellung der Anteilsinhaber zuließ. Auch wenn gegen eine solche Einbeziehung der Gesellschafter immer wieder Bedenken erhoben wurden, sprächen letztendlich systematische, funktionale und wirtschaftliche Argumente dafür, eine solche zuzulassen.

Die durch das ESUG eingefügten Neuregelungen bewirkten, dass die Gesellschafter verfahrensmäßig voll in das Insolvenzverfahren einbezogen werden. Die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung werde dem Verfahren nach durch die Gläubiger- bzw. Beteiligtenversammlung ersetzt. Fraglich sei indes, inwieweit die Anteilsinhaber auch materiellrechtlich in das Insolvenzverfahren einbezogen seien. Die InsO selbst nenne unsystematisch mehrere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, die Gegenstand eines Insolvenzplans sein können, und enthalte überdies in § 225a Abs. 3 InsO eine Generalklausel, nach der in den Plan jede Regelung aufgenommen werden könne, die gesellschaftsrechtlich zulässig sei. Ungeklärt sei allerdings, wie die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit i.S.d. § 225a Abs. 3 InsO zu bestimmen sei. Es könnte einerseits, wie auch im Beschluss des AG Charlottenburg, auf die konkrete Verfassung der schuldnerischen Gesellschaft abgestellt werden, sodass § 225a Abs. 3 InsO als Verweisung auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der konkreten Gesellschaft zu verstehen sei (enge Ansicht). Andererseits könne die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit auch nach der abstrakten Rechtsform bestimmt werden, was zur Folge hätte, dass in einen Plan jede Regelung aufgenommen werden könnte, die nach dem für die den jeweiligen Gesellschaftstyp einschlägigen Recht möglich wäre (weite Ansicht). Noack erörterte, dass die Regelungen der InsO hinsichtlich dieser Frage ambivalent seien und dass auch den Gesetzesmaterialien keine eindeutige Lösung entnommen werden könne. Er schloss sich allerdings der weiten Auffassung an und wies zur Begründung insbesondere darauf hin, dass eine Abwicklung zu einem vollständigen Verlust der Mitgliedschaft führen würde und daher keine weitere Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Individual- und Minderheitenschutzrechte erforderlich sei. Die im Regelverfahren bestehende Unterscheidung zwischen Schuldnerbereich und Verdrängungsbereich sei im Planverfahren nicht maßgebend. Der Schutz der Altgesellschafter beschränke sich, entsprechend der Vorstellung des Gesetzgebers, auf einen Vermögensschutz hinsichtlich eines etwaigen Restwertes. Sodann veranschaulichte er anhand einiger denkbarer Fallgestaltungen, welche Konsequenzen sich aus diesem weiten Verständnis des Begriffs der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit hinsichtlich des Inhalts eines Plans ergeben.

Abschließend ging Noack auf den Prüfungsumfang des Registergerichts bei der Eintragung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen aus einem Insolvenzplan ein. Er wies klarstellend darauf hin, dass der Wortlaut der Gesetzesbegründung, nach der dem Registergericht vor allem eine „beurkundende Funktion“ zukomme, nicht wörtlich zu verstehen sei. Allerdings sei die materielle Prüfungskompetenz des Registergerichts auf besonders schwere Rechtsverstöße („Kardinalfehler“) beschränkt. Ein solcher schwerer Rechtsverstoß hindere auch im Insolvenzverfahren das Beschwerdegericht nach § 253 Abs. 4 InsO an einer Freigabe des Insolvenzplans, sodass im Sinne der Einheit der Rechtsordnung in diesem Fall auch keine Eintragung der Maßnahme zulässig sei.

Es folgte ein Vortrag von RiAG Frank Pollmächer (AG Düsseldorf – Insolvenzgericht), der über die Prüfung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht referierte. Pollmächer berichtete, dass am AG Düsseldorf im Jahr recht wenige Insolvenzplanverfahren durchgeführt werden und dass dies seiner Kenntnis nach auch für andere Insolvenzgerichte gelte. Nach seiner Einschätzung habe sich von allen durch das ESUG eingeführten Neuregelungen vor allem das Insolvenzplanverfahren dahingehend als effektiv erwiesen, dass es nach einer erfolgreichen Plansanierung nur selten zu Folgeinsolvenzen komme.

Zur Einführung gab Pollmächer einen kurzen Überblick über die Rechtsnatur des Plans, die Vorlageberechtigten und die Planbetroffenen, zu denen seiner Auffassung nach weder der Insolvenzverwalter noch die Neugläubiger gehören, sofern dem Plan nicht gem. § 230 Abs. 2 InsO eine entsprechende Zustimmungserklärung beigefügt ist. Die Prüfpflichten des Insolvenzgerichts begännen mit der Vorlage des Plan (§ 231 InsO). Hinsichtlich der Prüfungstiefe sei durch den klarstellenden Beschluss des BGH vom 07.05.2015 – IX ZB 75/14 – (NJW 2015, 2660 ff.) der bis dahin andauernde Streit dahingehend entschieden worden, dass das Insolvenzgericht den Plan vollumfänglich unter Berücksichtigung aller rechtlichen Gesichtspunkte zu überprüfen habe. Eine bloße summarische Prüfung oder eine Evidenzkontrolle reiche nicht aus. Der Referent wies darauf hin, dass der Plan – abgesehen von dieser Prüfung – nach der Planvorlage im weiteren Verfahrensverlauf noch weitere Male gerichtlich geprüft werde, wobei jeweils kein „Verbot der Doppelprüfung“ bestehe. Durch eine vorherige Prüfung trete also keine Bindungswirkung für die folgenden Prüfungen ein. Seiner Erfahrung nach seien in Insolvenzplänen häufig vor allem die Vergleichsrechnung und die Erläuterungen zur Gruppenbildung zu kritisieren, da diese von den Planverfassern zu marginal behandelt würden. Zudem wies er auf die neue Rechtsprechung des BGH hin, nach der sog. „materielle Ausschlussklauseln“ in Insolvenzplänen unzulässig seien (BGH, aaO.).

Zur Frage der Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen ging Pollmächer anders als sein Vorredner tendenziell davon aus, dass der Begriff eher eng auszulegen sei und es daher auf die konkreten Verhältnisse der schuldnerischen Gesellschaft ankomme. Nur auf diese Weise könnten die Altgesellschafter effektiv geschützt werden. Diese hätten die Anteile wie in der Satzung festgelegt erworben und dies müsse auch in der Insolvenz gelten. Abweichende Regelungen seien vor diesem Hintergrund freilich zulässig, wenn die Gesellschafter einer solchen Satzungsänderung zustimmten. Angesicht dieser auch seiner Auffassung nach ungeklärten Rechtlage empfehle sich eine intensive Abstimmung zwischen Schuldner, etwaigen Beratern, Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht.

Auch hinsichtlich der Prüfungskompetenz des Registergerichts vertrat Pollmächer einen konträren Standpunkt und sprach sich für eine uneingeschränkte registergerichtliche Überprüfung aus. Er begründete dies damit, dass der Grundsatz ne bis in idem im Verhältnis zwischen Insolvenzgericht und Registergericht genauso keine Anwendung finden könne, wie im Verhältnis der Strafgerichte zu den Zivilgerichten. Zudem wies er darauf hin, dass § 246a Abs. 3 S. 5 AktG ausdrücklich eine Bindung der Registergerichte an die Freigabeentscheidung des OLG vorsehe, die InsO indes keine vergleichbare Regelung enthalte. Es handele sich um eine bewusste Nichtregelung des Gesetzgebers, die dahingehend zu deuten sei, dass eine vergleichbare Bindungswirkung im Insolvenzplanverfahren nicht bestehe. In Anbetracht der dem Registergericht zustehenden Prüfungskompetenz sei bei eintragungsbedürftigen Tatsachen eine Absprache mit dem Registergericht unentbehrlich.

Im Anschluss an die Vorträge entwickelte sich eine rege Diskussion zwischen den Vortragenden und den rund 80 Teilnehmern des Abendsymposiums. Hinsichtlich des Beschlusses des AG Charlottenburg wurde kritisiert, dass eine Einziehung der Aktien gesellschaftsrechtlich zulässig gewesen wäre, wenn alle Aktionäre vorher auf eine Einhaltung der Satzung verzichtet hätten. Zwar wurden dem Plan keine entsprechenden Willenserklärungen der Aktionäre beigefügt. Allerdings hatten alle Aktionäre dem Plan zugestimmt, sodass sich die Frage nach einem Schutzbedürfnis der Aktionäre stelle. Unabhängig von diesem konkreten Fall wurde angemerkt, dass der offene Wortlaut der InsO eher für ein weites Verständnis des Begriffs der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit spreche. Pollmächer plädierte hingegen erneut für eine restriktive Auslegung und argumentierte mit dem Schutzbedürfnis der Altgesellschafter. Noack bekräftigte seine Zweifel, ob ein Zwang zur Beibehaltung der vor dem Verfahren bestehenden „Konfiguration der Gesellschaft“ sachgerecht sei. Es stelle sich zudem die Frage, ob dem im Einzelfall unter Umständen bestehenden Schutzbedürfnis der Anteilsinhaber nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden könne. Aus dem Kreis der Teilnehmer wurde zudem die Frage aufgeworfen, inwiefern die Anteilsinhaber überhaupt schutzwürdig seien, wenn Insolvenzgründe vorliegen. Als Eigenkapitalgläubiger seien sie letztrangig zu befriedigen. Es müsse unbedingt vermieden werden, dass die Gesellschafter durch die Platzierung von „Poison Pills“ in der Satzung die Möglichkeit erhielten, diese Befriedigungsreihenfolge zu durchbrechen.

Die Präsentationen der Referenten können unter folgenden Links heruntergeladen werden:

Zu dem Vortrag von Noack: Noack/Schneiders, DB 2016, 1619 - 1624. 

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